Stein-Burg
Kaliningrad, 16. 07. 14
Beata und Goica übersetzen mir die polnische Speisekarte eines kleinen von einer älteren selbst kochenden Dame geführten Restaurants in einer stillen grünen Gasse zwischen Marienkirche und Krantor. Allerdings in Englisch. Was mir doch so viel hilft, dass ich eine deftige Suppe mit „tripes“ (Kutteln), Rindfleisch mit heller Soße, Salzkartoffeln und Möhren-Weißkraut-Salat bekomme. Dazu trinke ich ein kleines dunkles polnisches Bier. Die Frauen haben deutlich größere Pötte vor sich.
Über die üblichen Fragen woher, wohin, wie lange unterwegs usw. kommen wir ins Gespräch über Danzig und Umgebung. Beata schreibt als Journalisten neben „produkt-placement“ auch Texte für touristische Blätter und Broschüren, kennt sich anscheinend gut aus. Sie empfiehlt mir unbedingt , Malbork zu besuchen – „the bigest castle in the world“. Von dieser riesigen Ordensburg des Deutschen Ritterordens hatte ich schon gelesen. Aber sie liegt mindestens 60 km südöstlich meiner Route. Laut Beata braucht man mindestens 3 Stunden, um sie ausreichend zu besichtigen.
60 km hin, fürs Fahrrad errechnet das Navi gar 71 km, Schlangen an der Kasse, 3 Stunden besichtigen und wieder zurück nach Danzig, das scheint mir ohne Gepäck möglich. Dann brauch ich auch keine Angst um mein Gepäck zu haben während der Besichtigung.
Kurz nach 10.30 Uhr bin ich da. Schon vom westlichen Ufer des Nogat herrscht das Riesenbauwerk in Backstein über dem Fluss und der flachen Landschaft: die Marienburg. „Die weltgrößte gotische Schlossanlage nimmt eine Fläche von ca. 21 Hektar ein, der Rauminhalt der Gebäude beträgt über 250.000 Kubikmeter.“ Dieses „Kunstwerk der Wehr“ ist das größte Backsteinbauwerk der Welt. Hochschloss, Mittelschloss, Vorburg, Marienkirche, Viereckturm, Rundturm, Tore, Erker, Giebel, Mauern alles in Backstein. Gemauerte Wehrhaftigkeit. Könnten die Maurer meiner Familie dieses einmalige Kunstwerk ihrer Zunft sehen, sie wären fasziniert, aber bestimmt auch erschrocken, über die unmenschlichen Anstrengungen, die es gekostet haben muss, solch eine Festung im 13. und 14. Jahrhundert zu bauen.
Ein ganz anderes Metier und ein fast erholsamer Kontrast zu der Burganlage bietet das in einem Untergeschoss untergebrachte Bernstein-Museum. Eine Stunde lang lese und schaue ich mir hier die Augen aus. Die gezeigten Exponate überraschen mit besonderer Größe und Färbung, aber auch mit der künstlerischen Aufarbeitung.
Gegen 14.30 Uhr komme ich ziemlich erschlagen aber froh zurück zum Rad. Noch rasch Wasser und Proviant für den Rückweg in einer Bäckerei gekauft und über den verkehrsreicheren aber kürzeren Weg zurück nach Danzig. Keine große Anstrengung, weil der Wind mich unterstützt. Ohne Beatas Tipp wäre mir ein Höhepunkt dieser Reise entgangen.