Radlers Traum

Palanga,  19. 7. 2014

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Mit Nida ist erst die Hälfte der Kurischen Nehrung erreicht. Der litauische Teil bis Klaipeda, dem früheren Memel ist noch einmal 50 km lang. Der R 10 ist auf dieser gesamten Strecke durchgehend ausgeschildert, asphaltiert und autofrei. Ich radle entweder an den Dünen entlang in der Sonne oder durch lichte Kiefernwälder.

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Mal  komme ich in verträumte Haffdörfer mit ihren bunten Holzhäusern, mal  raste ich am Strand. Dazu schiebe ich das Rad wenige Meter bis zu einer der Dünentreppen und genieße den freien Blick aud die Ostsee, den frischen salzigen Wind und das nicht endende Blau-Weißvon Himmel, Meer und Sand.

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Am Weg blühen Heckenrosen und vielfältige Wildkräuter. Schmetterlinge überall. Brachvögel im Haff, Möwen an der See. In diesem Radl-Paradies bin ich fast allein unterwegs. Selten queren Strandbesucher den Radweg. Einmal treffe ich eine fünfköpfige Gruppe aus Rheinbrohl, die auch die Nehrung von Süd nach Nord erradelt. Und von der ‚Landpartie‘ treffe ich drei, die entweder voraus gefahren sind oder hinter her bummeln. Diesen Traum hier möchte ich aber allein und in Stille genießen.

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In Juodkrante mache ich Mittagspause mit einer litauischen Spezialität: kalte Rote- Beete-Suppe mit warmen Kartoffeln. Schmeckt mir gut bei 28 Grad im Schatten.

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Um in den Ort zu kommen, muss ich zum ersten Mal überhaupt auf dieser Reise einen Kilometer berghoch fahren. 9 % hat der Anstieg über die Düne in den Ort. Bis zur Fähre in Smyltine, wo ich nach Klaipeda übersetzen muss, genieße ich  noch weitere 20 Kilometer Meeresrauschen, Rosenduft, Sonnenschein und Einsamkeit.

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Damit ist an der Fähre nach Klaipeda Schluss. Hier sind am Samstagnachmittag tausende unterwegs zum  Meeresmuseum oder zum Strand. Und fast alle kommen mit der Fähre, die mir beängstigend voll erscheint. Zum Glück wollen um diese Zeit nicht so viele Stadt einwärts. Ich bekomme problemlos einen Platz mit meinem Lastrad.

In Klaipeda ist heute ein Folklore-Festival. Traditionelle litauische Lieder und Tänze werden aufgeführt.Altes Handwerk wird gezeigt und entsprechend Wurst und Käse, Webstoffe und Drechseleien zu Fisch und Bier verkauft. Im Hafen liegt ein großes Segelschiff. Mir ist es zu voll in der Stadt. Nur oberflächlich schaue ich mir die Altstadt an, fotografiere das Ännchen von Tharau vor dem Theater und schau, dass ich dem Gewühl entkomme.

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An der Dane-Brücke finde ich gleich die Hinweise auf den R 10 wieder. Hier ist er natürlich nicht autofrei, sondern führt über den Gehweg, bis ich am nördlichen Ende der Stadt an einem Kreisverkehr wieder in die Felder und Wiesen abbiegen kann. Über ruhige örtliche Straßen oder den wieder autofreien Radweg läuft die Route weiter bis Palanga. Der Ort scheint die Partymeile hier zu sein. Voller Badegäste die Seebrücke und drum herum das übliche Touri-Angebot gegen Hunger und Durst, für den Spieltrieb und die Konsumlust. Nur drei Kilometer weiter führt der R 10 mich zum nächsten Strand – völlig leer und herrlich einsam, kann ich hier wieder schwimmen. Gleich auf der anderen Seite des Radweges bieten einheimische Grundstücksbesitzer ihre Wiesen als saisonale Campingplätze an: Ein Gartenhaus als Rezeption und für die Elektroanschlüsse, drei offene Spülbecken und drei Wasserhähne als Wasch- und Kochstelle. Daneben eine Holzhütte mit zwei Plumpsklos. Das ist alles. Aber freundlich und hilfsbereit ist die Dame. 6 € kostet die Nacht. Der Platz ist rundum besetzt. Mit Autos, neben denen die unterschiedlichsten Zelte aufgeschlagen sind.

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Viele Letten campen hier in Grenznähe, wie ich an den Kennzeichen erkennen kann. Für meine Nachbarn bin ich der Exot, dem sie freundlich begegnen aber auch ein wenig ausfragen. Nach dem Abendessen – geräucherte Forelle mit  Brot und Tomaten –  kehrt Ruhe ein auf dem Platz. Wie fast alle sitze ich vor dem Zelt und lass mir ein einheimisches Bier schmecken, für das ich aber vorher noch einen Kilometer weit radeln musste. Bis zu einem kleinen Laden am R 10 –  dem  Traum eines jeden Radlers zuminest in Litauen.