RADLER-TREFF
Die schlange der uns entgegen kommenden autos ist sicherlich einen kilometer lang. Meist albanische kennzeichen oder italienische. Während die montenegrinischen zollbeamten die einreisenden anscheinend sehr genau kontrollieren, winken sie uns ausreisende nur durch. Die drei mit mir radelnden „multitalente“ befürchten – wie schon am slowenisch/kroatischen zoll – von den albanischen beamten ‚gefilzt‘ zu werden. Sie schauen halt so aus, als ob sie schon mal gras rauchen. Doch wir zahlen brav 10 € und bekommen ohne jeden stress die einreisestempel in unsere pässe. Martin meint, es könnte schon sein, dass ihre reibungslose einreise mit mir zu tun habe. Ja, ich seh halt bieder aus. Vater und sohn mit dessen freunden auf großer tour.
Als ich die autoschlange auf der anderen straßenseite fotografieren will, mahnt einer der beamten mich freundlich mit seinem zeigefinger, das zu unterlassen.
Die ersten Albaner, die uns am straßenrand, auf dem moped oder fahrrad, im leeren pferdekarren oder vollbesetzten 190 D begegnen, grüßen uns alle. Manche fast überschwänglich, so dass ich wieder argwöhne, ob’s ihre freundlichkeit ist oder wir ihrer belustigung dienen. Sie rufen uns zu, heben den arm oder nicken zumindest mit dem kopf. Kinder fragen: „Hello, where du you come from?“
Jugendliche fahren mit uns und fragen uns nach dem namen oder dem ziel unserer reise. Auch da überlege ich, ob sie nicht schon zu aufdringlich sind. Meine drei begleiter empfinden das anders. Für sie ist das natürliche neugier und ehrliches interesse am unbekannten. Manuel hält einmal sogar an, um mit jugendlichen zu sprechen. Die verständigung ist nicht einfach, aber in englisch und mit händen und füßen möglich.
Natürlich sind es männer – ob jung oder alt – die uns so freundlich begrüßen. Frauen schauen uns kaum an. Auch junge mädchen wenden ihren blick nicht von der straße, wenn wir passieren.
Vom westen aus gibt’s es in die stadt Skhoder nur den zugang über eine brücke: 3 m breit, ca 70 m lang, teilweise lose liegende holzbohlen quer zur fahrtrichtung, nicht alle gleich dick, manche löchrig- Eine ca 1,20 m hohe verrostete eisenträgerkonstruktion trägt die fahrbahn und dient als geländer. Eine verkehrsregelung gibt’s nicht. Der dreistere fährt. Der entgegenkommende muss warten. Moped- und radfahrer quetschen sich auch bei gegenverkehr durch.
An diesem freitagabend wollen anscheinend genau so viele in die stadt wie raus. Ich habe das pech, dass mir zwischen all den rostlauben, kleinbussen und mercedes-taxen auch ein gepflegter VW-Tuareg-geländewagen entgegen kommt. Der fahrer hält mein bepacktes radlerdasein für absolut unverschämt und hupt – als er genau neben mir ist – so anhaltend laut, dass ich erschrocken zusammen zucke und krampfhaft den lenker halte, bis ich die restlichen 30 m geschafft habe.
Die jungs warten auf dem freigelände hinter der brücke, auf dem sich anscheinend hunderte verabreden oder zufällig treffen. Im halbdunkel nehme ich das warnende und grüßende hupen, das knattern und rattern der alten fahrzeuge, die orientalisch anmutende musik von umliegenden gaststätten und die vielen rufenden und sich laut begrüßenden menschen als undurchdringliches getümmel wahr, in dem ich leicht orientierungslos werde.
Ich war noch nie außerhalb von Europa. So – denke ich – könnte es auch in Indien oder Marokko zugehen. Hoffentlich tue ich mit solchen vergleichen keinem der laender
unrecht.
Die jungs warten nicht nur auf mich, sondern machen sich auch aus dem dunkel bemerkbar. Manuel hat schon kontakt aufgenommen zu einem gut englisch sprechenden jungen radfahrer, der davon abrät, jetzt noch irgendwo einen zeltplatz zu suchen. Er empfiehlt eine übernachtung in einem günstigen hotel, das wir dank seiner genauen beschreibung nach etwa zwei kilometern am zentralen platz der stadt finden. Nicht leicht. Denn die verkehrsbewältigung auf dieser abendlichen strecke stellt uns vor einige probleme: der straßenbelag ist derart schadhaft, dass du ständig um tiefe schlaglöcher herum fährst oder eben doch in sie hinein. Ampelanlagen funktionieren nicht oder werden nicht beachtet. Querender verkehr – ob nun auto, moped oder fußgänger – nimmt sich die vorfahrt, sobald er merkt, dass du noch zögerst.
Der junge Albaner hat uns schon gewarnt: „Be carfull. They ‚re driving crazy!“ Es ist zunächst beängstigend. Aber irgendwann wird es auch für mich zur herausforderung hier mit zu halten. Ich setzt mich durch oder wurschtele zwischen den fußgängern herum, nehme einbahnstraßen falsch, holpere bürgersteige rauf und wieder runter. Leider ist mein rad einfach zu schwer und nicht wendig genug.
Das hotel ist ein typischer kommunistenkasten aus den 50er jahren. Riesige eingangshalle, acht häßliche braun-beige gemusterte abgenutzte sessel, monumentaler treppenaufgang, lift defekt, Zum glück! In die liftnische dürfen wir unsere velos stellen. Zu unserer verwunderung stehen da schon zwei gut ausgestattete und noch bepackte räder. Radreise-boom in Albanien?
Manuel verhandelt mit dem empfangschef: unterste preisklasse, doppelzimmer im dritten stock ohne dusche, fließend kaltes wasser am waschbecken, für jeden ein dünnes verwaschenes handtuch 4o x 8o cm, toilette am flurende, natürlich kein frühstück, saubere laken und eine wie immer eklige wolldecken auf den betten: 4,50 € pro person. Ich wasche mich gründlich und werde auch hier schlafen wie ein murmeltier.
Die beiden anderen radler im hotel sind ein krankenpfleger-paar aus Ulm, das anscheinend in einem zimmer der etwas höheren preisklasse wohnt. Sie sind auf dem weg nach Pakistan und wollen dann evt. noch nach Nepal. Übrigens sind sie schnell unterwegs. Ca. 120 km pro tag. Erfahrene asienradler (Indien, Vietnam), die uns zum essen begleiten. Im gespraech mit ihnen erfahre ich eine menge.Vor allem eins: Ruhe bewahren!
Als sie dann erzählt, dass ihre eltern in Düren wohnen und er sagt, dass er auch rennrad fährt, wage ich es doch, werbematerial vom Selfkant heraus zu holen. Allerdings nicht ohne mich selbst über diese ‚reklame‘ ein bisschen lustig zu machen. Die beiden zeigen aber echtes interesse.