Antalya, 23.03.09
Drei tage von Anamur nach Antalya. 275 unterschiedliche km: steilküsten, flussebenen, nadelwälder, obstplantagen, sumpfwiesen, entlegene gehöfte, bauerndörfer, autobahnen, gewerbegebiete, tourismus-großstädte, sonnige wärme, frische brisen, dauerregen.
Müsli und milch habe ich gefrühstückt. Doch an der ersten bäckerei nehme ich noch eine tasse tee und zwei süße brötchen. Auf seinem schoß tröstet opa die weinerliche bäckerstochter, die fürs foto gleich wieder lachen kann.
Noch im ort nach höchstens zwei km ziehe ich das langarmtrikot aus. Die sonne wärmt heute schon früh, weil kaum ein wind weht.
Die südspitze der küste fällt steil ab zum meer. So steil, dass die straße nicht auf der meerseite weiter führen kann. Sie verläuft über die erste hügelkette auf die bergseite. 10 km klettere ich mit nur wenigen kurzen senken. Über eine stunde brauche ich dafür. Nicht nur zum fotografieren halte ich mehrmals an.
Danach hängt die straße wie ein balkon auf halber höhe an den bergen. Immer wieder blicke ich zwischen den spitzen durch auf meeresbuchten und kleine strände. Dabei verliere ich rasch an höhe. Schon kommt der nächste anstieg. Er ist steiler. Meine aller kleinste übersetzung brauche ich. Sechs stundenkilometer fahre ich noch. Oft im stehen und schwer atmend. Passend zu meinem tempo die schildkröte, die meinen weg kreuzt.
So steil kommt mir die steigung gar nicht vor. Es muss an meinem gewicht liegen. 11000 km schleppe ich dieses gepäck jetzt mit mir rum. Immer noch nicht kann ich mich damit abfinden.
Nach neun km auf dem höchsten punkt gibt’s an einer bude tee und bananen. Die region um Anamur ist das zentrum des türkischen bananen anbaus. Bis Ücari sause ich jetzt runter an plantagen vorbei, in denen unter glas, folie oder blauen plastiksäcken die krummen gelben früchte reifen.
Auf meeresniveau kaufe ich wasser, cola und natürlich bananen. In zeichensprache erklärt mir ein älterer bauer, dass ich jetzt nochmal fünf km steigen muss, dann aber bis Gazipasa 15 km nicht mehr zu treten brauche. Er kennt sich aus. Auf meinem tacho sind’s mehr als sieben km steigung. An dem flüsschen entlang zum küstenort runter trete ich nur noch aus lauter freude über das lange gefälle.
Hier blühen geranien am straßenrand. Frauen pflücken schon freiland erdbeeren. Und 2 kg bananen kosten 1,50 Ytl. Aber das meer ist noch so fern. Dass ich ohne mich noch mal quälen zu müssen an den strand komme, kann ich kaum glauben.
90 km bin ich gefahren, als ich vor dem im umbau befindlichen campingpatz stehe. 6 std und 35 min reine fahrzeit, 12,8 km/h. Insgesamt mehr als neun und eine halbe stunde unterwegs. Der sonnenuntergang am palmenstrand ist zwar stimmungsvoll. Doch ich bin zu müde, um ihn genießen zu können.
Herrlich ausgeruht, gut gefrühstückt und wohl gelaunt strampele ich in den sonntag. Auf meiner landkarte ist die linie der D 400 längst nicht mehr so gewunden wie auf dem gestrigen abschnitt. Vom profil her sieht es leichter aus. Aber der himmel macht mir sorgen. Der wind schiebt mich allerdings kräftig richtung nordwest. Die 45 km bis Alanya schaffe ich in zwei stunden. Zum fotografieren brauche ich nicht anzuhalten. Solche tourismus verseuchten küstenabschnitte meide ich möglichst. Hotelklötze neben fastfood-buden, autoverleih neben textil-diskount, supermarkt und fotolabor. Zu mittag esse ich in Alanya das gleiche wie gestern abend in Gazipasa. Einzige unterschiede: Dort trank ich ein bier dazu, hier ein kleines wasser. Dort war alles frisch aus der pfanne, hier ist alles abgestanden kalt. Dort kostet es 12, hier 25 Ytl.
Übrigens: Dass ich in Alanya an einem MTB-rennen teilnahm und als ältester, einziger ausländischer sowie letzter teilnehmer auch noch aufs podium durfte, ist völlig aus der luft gegriffen. Genauso wie die deutschen bratheringfilets in einem kleinen laden in Tabriz (Iran).
Bevor ich schnellstens weiterfahre, ziehe ich meine regenklamotten über. Zurecht. 60 km fahre ich durch meist strömenden regen. Bis Side. Da ich hier kein günstiges kleines hotel finde, muss ich noch fünf km weiter. 110 km in etwas mehr als fünf stunden. Das sind fast 22 km pro stunde. Hatte ich heute auch das schwere gepäck mit?
In einen appartement mit küchenzeile, bad und wohnschlafraum hänge ich die pitschnassen sachen an gardinen, stühlen und türen auf. Erstmals seit weihnachten kann ich wieder deutsche TV-programme schauen. Aber RTL und Sat sind einfach nicht mein geschmack.
Letzte küstenetappe am montag. Die strecke ist noch unansehnlicher als gestern. Fast die ganzen 70 km passiere ich eine kleinstadt nach der anderen und gewerblich genutzte gebiete. Bewölkt und windig ist es heute wieder. Doch es bleibt trocken bis Antalya. Um halb zwei bin ich schon im zentrum. Soll ich noch weiter radeln? Es sieht nach regen aus. Ins internet-café möchte ich auch.
Über 900.000 einwohner zählt die tourismus-hochburg. Ohne stadtplan finde ich mich nicht zurecht. Wie anders die menschen hier sind. Niemand, der mir als suchenden hilfe anbietet. Ein paar deutsche touristen fragen mich, woher ich komme. Die türkischen passanten, bei denen ich mich nach tourist-information, camping-plätzen und einfachen hotels erkundige, sind kurz angebunden und schnell fertig mit mir. Entweder zeigen sie in irgendeine wenig definierte richtung oder zucken mit den achseln. Zum glück kann ich einem hinweisschild entnehmen, wo’s zu einem strand geht. In dessen nähe finde ich eine günstige pension. Inzwischen donnert und blitzt es. Ein tüchtiger gewitterregen setzt ein. Morgen will ich unbedingt weiter.