VORBEI GEFAHREN
Kairo, 18-12-08
Um Markus wieder zu treffen und vor dem 19.12. Kairo zu erreichen, werde ich von Farafra einen minibus richtung Bahariya nehmen. Auf dieser strecke werde ich Markus sicher treffen. Es gibt zwischen den beiden oasen nur diese eine straße. Zusammen radeln wir dann durch die Schwarzen Wüste. Am 15.12. müssten wir dann in Bahariya ankommen. Dann hätten wir für die 300 km bis Kairo noch 3 tage. Markus würde in seinem slang sagen: „Das müsst si ausgehe.“
Mein rad und mein gepäck werden auf dem dachgepäckräger des Toyota festgezurrt. Voll besetzt mit zehn personen geht’s um zehn uhr los. Ich nehme einen sitzplatz auf der letzten bank, damit ich freie sicht nach hinten habe und Markus bestimmt entdecke.
Die ersten 40 der 200 km kenne ich ja schon. Die Weiße Wüste bietet auch aus dem bus fantastische aus- und anblicke. An der polizeistation hinter der Weißen Wüste frage ich nach Markus und zeige den polizisten sein foto auf dem display meiner kamera. Es hat ihn aber niemand gesehen. Verwunderlich. Es ist schon nach elf uhr. Er müsste hier eigentlich vorbei gekommen sein. Vielleicht hat er sich auch ein stück mitnehmen lassen. Oder er hat sich irgendwo länger aufgehalten. Ich bekomme keine zeit, lange zu überlegen. Der busfahrer will weiter. Also fahre ich weiter mit, weiß aber jetzt nicht mehr sicher, ob Markus noch vor mir ist.
Bis zum zweiten polizeiposten entdecke ich ihn nicht. Hier hat ihn auch noch niemand gesehen. So weit kann er eigentlich noch nicht sein. Soll ich ihm von hier aus entgegen fahren? Der busfahrer zeigt keine lust, mein rad hier runter zu holen. Und wenn Max doch schon mit einem pickup oder jeep mitgefahren ist? Vielleicht wartet er ja in Bahariya. Ich bleibe im bus, werde in der oase nach ihm suchen. Wenn ich ihn dort nicht treffe, kann ich ihm immer noch entgegen fahren.
Die polizeikontrolle am ortseingang von Bahariya ist nicht besetzt. Aber an der bushalte treffe ich einen Australier und zwei Koreaner, die Max heute morgen früh auf ihrer jeeptour in der Weißen Wüste beim zelten gesehen und fotografiert haben. Also habe ich ihn verpasst, während er in der wüste gecampt hat. Er ist noch weit entfernt von Bahariya. Fraglich, ob er die strecke heute überhaupt schafft. Wahrscheinlich wird er ‚planmäßig‘ in der Schwarzen Wüste übernachten.
Nachdem ich etwas gegessen habe, fahre ich ihm doch entgegen, zurück richtung Schwarze Wüste. Nach etwa 35 km komme ich an eine haltestation, die wir heute morgen mt dem bus passiert haben. Hier gibt’s ein café und einen laden. Hier warte ich. Alle haltenden autofahrer frage ich nach Markus und zeige ihnen das foto. Ein beduine in einem klapprigen jeep erinnert sich an den ‚blue biker‘. Vor einer stunde will er ihn etwa 50 km von hier gesehen haben. Fraglich, ob Max dann noch heute zu dieser station kommt. In einer halben stunde ist es nämlich dunkel. Seit Max‘ sturz am Nemrud Dagi fährt er nicht mehr alleine im dunkeln, da er nur mit dem schein seiner stirnlampe auskommen muss.
An dieser station gibt’s keinen geeigneten schlafplatz. Drum fahr ich noch zurück in die oase. Auf dem rückweg verzaubert der sonnenuntergang die ansonsten trostlose Schwarze Wüste in ein wunderschönes farbenmeer.
Im hotel New Oasis finde ich eine nettes sauberes doppelzimmer für 3,50 €. Diese adresse hinterlege ich beim polizeiposten am ortseingang für den unwahrscheinlichen fall, dass Markus doch noch in der nacht einrollt.
Am nächsten morgen fotografiere ich zuerst das geschäftige treiben aber auch die beschaulichen ecken der oase.
Die polizeikontrolle ist wieder nicht besetzt. Drum schreibe ich mit weißen und roten sandsteinen eine botschaft für Markus auf die straße.
Ab 12 uhr halte ich selbst wache am ortseingang, bin aber zu unruhig, zu ungeduldig. Ohne gepäck, aber mit frischem trinkwasser, obst und einigen süßen riegeln fahre ich ihm wieder entgegen. Er muss doch bald kommen. Autofahrer haben ihn gesehen. Einmal 30, einmal 20 km vor der oase. An einer der völlig unsinnigen, verödeten bushaltestellen, die auf einer anhöhe im wüsten-nirgendwo einen weiten ausblick auf die straße bietet, warte ich. Hier kann ich im schatten tagebuch schreiben. Außerdem vertreibt hier eine frische brise die lästigen fliegen.
Endlich entdecke ich auf der langen geraden den rasch größer werdenden blauen fleck. Markus sieht gar nicht mal mitgenommen aus, als er lächelnd anhält. Glücklich umarmen wir uns. Scheint so, dass wir beide zwischenzeitlich doch sehr verunsichert gewesen sind.
Beim kochen und abendessen erzählt Markus ganz beseelt von den eindrücken in der Weißen Wüste. Eine unglaublich klare vollmondnacht hat er dort erlebt. Über 300 bilder hat er gemacht. Viele großartige aufnahmen darunter. Aber er berichtet auch, welche sorgen er sich gemacht hat und was er alles überlegt und unternommen hat, damit wir uns wieder finden.
Nach dem essen planen wir den weiteren verlauf der tour. Von wüste und sand habe ich nach einer woche genug. Ich will möglichst rasch mit dem bus nach Kairo, meinen flug bestätigen, die mitnahme des rades klären und ein günstiges handy kaufen, damit ich wieder erreichbar bin.
Max hat zeit bis zum 22. dann erst kommt seine familie nach Kairo. Die verbleibenden 300 km werden zwar von allen radlern als langweilig und sehr windig beschrieben. Aber er will sie radeln. Für ihn ist damit die wüstentour abgerundet.
Wir trennen uns also am nächsten morgen wieder einmal. Diesmal noch herzlicher und mit größerer wehmut als in Damaskus. Von anfang an haben wir uns gut verstanden, konnten immer gut miteinander reden. Unsere gespräche sind aber in den letzten tagen persönlicher geworden, die themen privater. Jeder kennt den anderen inzwischen besser. Wir sind uns in der wüste näher gekommen.