AN GEFAHREN
Sharm el Sheikh, 04-12-08
Vom Sunrise-hotel zu meinem appartement im Delta-Sharm sind’s fast 20 km. Die gesamte strecke ist gut beleuchtet und breit ausgebaut. Die ersten drei km sind zwei-, die folgenden auf der Peace Road vierspurig. Die straße verläuft leicht abwärts in die stadt.
Der verkehr stadteinwärts ist am freitag abend gegen 18.00 uhr nicht besonders dicht. Mein rad ist gut beleuchtet.
Meine tasche, in der badesachen und kamera hinten links am gepäckträger hängen, hat einen auffälligen reflektor. Zusätzlich leuchtet noch ein kleines diodenlämpchen an ihrem verschluss.
Etwa 800 m vom hotel entfernt überholt mich ein bus mit großem seitlichen abstand. Im gleichen moment kommt von hinten ein zweites schnelleres auto. An dem scheinwerferstrahl erkenne ich, das es sich zwischen mich und dem bus drängt. Jetzt geht alles rasend schnell: Ich höre ein dumpf klatschendes geräusch. Ich spüre einen stoß gegen mein rad. Mein neues hinterrad! Ich torkele, versuche gegen zu lenken und zu bremsen. Der extrem hohen bordstein kommt näher. Ich verliere das gleichgewicht. Die gabel schlägt mit der rechten scheide auf die bordsteinkante. Ich stürze über den etwa einen meter breiten bürgersteig in den losen sand. Mein rad landet neben mir unter einer straßenlaterne. Bus und auto sehe ich weit vor mir. Das schwein ist einfach weiter gefahren.
Mein daumen schmerzt und mein linker knöchel blutet. Am rad leuchten noch das standlicht meines frontscheinwerfers und das rücklicht. Wo hat der mich den erwischt? Der gepäckträger ist unbeschadet. Das hinterrad hat anscheinend auch nichts abbekommen. Die tasche fehlt. Wo ist die tasche hin geflogen? Im sand um mich herum sehe ich sie nicht. Ich schaue auf die straße. 7 bis 8 m hinter mir liegt sie fast mitten auf der linken fahrbahn. Ich weiß nicht, ob überhaupt schon nachfolgende autos vorbei gefahren sind. Schnell hole ich die tasche und schau nach, was mit der kamera los ist. Sie funktioniert.
Kann das wirklich sein? Ein auto fährt mir die gepäcktasche vom rad, trifft aber nicht mich und nicht mein rad? Ich stürze über einen mindestens 25 cm hohen bordstein in den straßengraben, aber nichts ist mir geschehen? Bis auf die schürfwunde am knöchel und den leicht verstauchten daumen. Nichts ist beschädigt? Ich schaue mir alle rahmenteile genau an, prüfe die lenkung, bremsen, schaltung, sattel. Alles scheint okay. Morgen bei tageslicht werd ich das rad nochmal genauer kontrollieren. Selbst die kamera in der tasche, die vom auto erfasst auf die straße geschleudert wurde, beibt unversehrt.
Hat der fahrer überhaupt bemerkt das er mich angefahren hat? Mit welchem autoteil hat er mich gestreift? Spürt man das nicht als fahrer? Wieso drängt er sich noch zwischen bus und mich ? Die fahrbahn ist zwar breit ausgebaut. Aber da war nicht genügend platz. Rechts überholen ist auch in Ägypten verboten, auch wenn’s an der tagesordnung ist in der stadt.
Beim polizeiposten in Ne’ama Bay halte ich. Die beiden verkehrspolizisten hören sich meine story an, sagen was von ‚crazy drivers‘, aber zucken mit den schultern, als ich erkläre, dass ich das auto-kennzeichen nicht weiß.
Als ich zu abend gegessen habe, ist meine wut über die fahrerflucht fast verflogen. Die freude über so viel glück überwiegt. Glück? Schon lange weiß ich, dass ich auf dieser reise viel mehr auf meiner seite habe als „nur“ glück!