AB GERUTSCHT

Vor Tirana stockt er schon mal und die kette hängt kurz durch. Kurz vor der grenze nach Mazedonien sitzt er fest. Ich muss immer mit treten. Mit spray kann ich ihn wieder lösen. Jetzt rattert er: der freilauf meines velotraums.

In Struga zwei radwerkstätten, in Ochrid ein kleines fahrradgeschäft, in Florina ein größerer radladen: keiner hat XT-ersatzteile. In Ptolemaide der erste reparaturversuch. XT ist noch lange nicht gleich XT. In Larissa ist sonntag und alles zu. In Katherini weiß der radhändler, dass es in Tessaloniki einen guten bike-shop gibt, der auch XT-teile verkauft.

Der laden in Saloniki heißt Red Zeppelin, ist wirklich gut sortiert. Der inhabr ist sicher, zeigt mir den freilauf, sein mechaniker ist klasse. Er richtet das schaltungsauge, wechselt den schaltzug, stellt die schaltung ein, wäscht meine kette. Aber der freilaufkörper passt nicht. Der händler gibt sich alle mühe, telefoniert sogar mit Athen und Istanbul. Ohne erfolg.

Die rettung kommt aus Straeten. Georg Herfs hat alles da. Bernd wechselt den body an einer anderen nabe, Elvira fotografiert die einzelnen schritte und bringt das ersatzteil an einer komplett neuen nabe mit nach Istanbul, damit ich daran den body probeweise austauschen kann. Dazu das werkzeug, eine beschreibung und die fotos. Das ist einmalig. Ich weiß nicht, wie ich mich bedanken soll.

Erster schritt des probelaufes: Öffnen der nabe mit zwei inbusschlüsseln. Auf der linken seite dabei die mutter kontern mit einem schmalen 17er maulschlüssel. Der ist nicht mit gekommen. Bernd sagt am telefon, dass man damit schlecht dran kommt. Es ginge besser mit der mit gelieferten spitzzange. Damit schaffe ich es nicht, auch nicht mit Elviras hilfe. Ich probiere alles, zigmal, verkratze dabei die neue nabe, zerdrücke den dichtungsring. Die mutter kann ich mit der zange nicht gegen halten. Ich probiere es mit meiner zange. Auch die rutscht immer ab.

Wer mich kennt, weiß dass ich kein geschickter handwerker bin. Aber er kann sich auch ausmalen, wie ich inzwischen tobe. Shimano ist absolute scheiße, Bernd ein arsch, Georg auch. Elvira hat von nichts eine ahnung. Ich selbst bin der größte idiot. Kann nicht mal eine schraube fest halten.

Ich fahre in die stadt zu den radläden, kaufe einen 17er maul, aber einen normalen. Den schmalen speziellen nabenschlüssel gibt’s nur in 14, 15 oder 16 er maulweite. Jetzt ahne ich, warum Bernd mir eine zange mitgegeben hat.

Mit dem normalen schlüssel kann ich gar nichts ausrichten. Zuletzt versuche ich in meinem wahn mit der feile des Victorinox, das 17er maul abzuschleifen. Ich gebe verzweifelt auf. Nicht nur die misslungene reparatur bedrückt mich. Vor allem mein sinnloser wutanfall beschäftigt mich. Erklären kann ich diese ausfälle nie, auch nicht entschuldigen. Ich schäme mich nur. Ein glück, dass Sara heute kommt. Ich habe noch eine woche zeit in Istanbul, das teil montieren zu lassen.

Die ersten drei läden haben keinen service. Der händler, der mir gestern den schlüssel verkauft hat, führt mich zu Salcano, dem einzigen radladen hier mit werkstatt. Der inhaber spricht gut englisch, der mechaniker nicht. Ich erkläre den beiden, was defekt ist, lasse sie das rattern im hinterrad hören und sage immer wieder: „Change the freewheel-body.“ Der monteur nickt, weiß anscheinend genau, was zu machen ist. Ich will ihm die zeichnungen noch zeigen. Aber die will er gar nicht sehen. Der inhaber weiß, dass es eine stunde dauern und 30 lira kosten wird. Um 12 soll ich das rad wieder abholen.

Ich bin schon etwas früher da. Mein rad steht noch ohne hinterrad im laden. Der mechaniker telefoniert. „Problem“, sagt er zu mir, als er aufgelegt hat. Die nabe, die ich ihm gegeben habe, hätte nur 32 löcher, die felge aber 36. Ich denke, ich höre nicht richtig. Aufgeregt sage ich ihm wieder, dass nur der body ausgetauscht werden soll. Ich brauche keine neue nabe und schon gar keine neuen türkischen billigspeichen n meinem velotraum.„Okay, okay!“ beruhigt er mich.„Only change the body“, beschwichtigt mich auch der inhaber. Er bietet mir einen stuhl und tee an. Dann erzählt er mir, dass er auch großhändler sei für den südosteuropäischen raum. Darum liegen in seinen regalen hunderte gleicher naben, schaltwerke, umwerfer und tausende speichen, nippel. und sonstiger kleinkram.

Eine stunde muss ich warten. Dann ist das hinterrad fertig. Der mechaniker setzt es ein und muss dann mit einer schwachen handpumpe aus dem schaufenster den reifen aufpumpen. Er gibt sich mit wenig druck zufrieden. Auch die schaltung überprüft er nicht gründlich. Das defekte teil und die probe-nabe gibt er mir zurück. Aber als ich das rad drehe, spüre ich, dass er die lager stramm eingestellt hat. Ich mache ihn darauf aufmerksam. Er meint, das sei so genau richtig. Mit der zeit würde das lager sich lockern. Dann wäre der leichtlauf wieder gegeben. Ich will ihm gerne glauben, werde aber bei Georg noch mal nachfragen, ob das so bleiben kann.

Zuletzt lasse ich die bremsen noch nach stellen und zahle die vereinbarten 30 lira. Dem mechaniker drücke ich 5 lira in die hand. 1300 km nach dem defekt läuft mein rad wieder rund.