INSEL TREIBEN
Heute morgen wollen unglaublich viele leute nach KrK. Nur ich bin der einzige, der das mit dem rad macht. Schon auf der brücke ist trotz der mautstelle kurz vorher so viel verkehr, dass ich mich nicht traue anzuhalten, um zu fotografieren. Die einzige durchgehende straße der insel bleibt den ganzen vormittag über proppenvoll.
Die insel-landschaft ist gegenüber der festlandküste karger, dürrer, kaum bewirtschaftet, kaum besiedelt, stiller. Ein landschaftstyp, den ich mag. Hier spürt man, wie schwer alles, was leben will, es hat, sich gegen die schwierigen natürlichen gegebenheiten durchzusetzen. Anpassung besteht in solch unwirtlichen gegenden darin, mit wenig auszukommen. Das ist ein erfahrung, die wir konsumorientierten wieder einmal machen sollten, um wieder schätzen zu können, wie angenehm das leben in fülle ist.
Kleinere waldgebiete wechseln sich ab mit großen flächen voller krüppelkiefern und stacheliger sträucher. Sie werden durchzogen von unzähligen steinmauern. Das erinnert mich an Irland, weil es auch hin und wieder hochmoorartige mit binsen bewachsene gebiete gibt. Aber die sonne brennt mir schon ein, dass ich am Mittelmeer und nicht an der Irischen See radele.
Krk – den hauptort der insel, sehe ich gar nicht, denn die fähre nach Cres legt um 15.30 uhr nordwestlich davon ab. Die schaffe ich locker. Aber für andere orte nehme ich mir keine zeit. Die 30minütige überfahrt ist wegen der kühlenden brise an bord erholsam.
Cres soll nach Markus‘ auskunft ein rad-geheim-tipp sein: verkehrsarme, aber neu ausgebaute straßen, nicht zu schwieriges gelände und gute infrastruktur bezüglich camping und einkauf.
Das alles stimmt – aber nicht für die ersten 11 km. Vom hafen führt die straße in einer endlosen schleife, von meereshöhe durchgehend ansteigend mit stellenweise angegebenen 10% auf etwa 400 m. Kein ort, kein haus oder irgend eine rastmöglichkeit. Selbst die auf meiner karte eingezeichnete kirche/kapelle fehlt.
Über diese „willkommensrunde“ auf Cres rege ich mich wieder so auf. Vor allem weil ich die sprüche vom radelparadies im kopf habe. Das rad schmeiße ich beinahe in den graben an der stelle, an der ich von der straßenführung her den höchsten punkt erwarte. Dem absteigen nahe muss ich dort aber fest stellen, dass es weitere 2 km bergan geht, wenn auch weniger steil.
Mich zu beherrschen bei solchen wutattacken, dass will ich auch lernen in diesem jahr. Nicht ausfallen, brüllen oder heulen, sondern die wut spüren, bewusst annehmen und sie kanalisieren. In diesem anstieg schaffe ich das. Weil ich die energie brauche für die körperliche anstrengung. Aber ich strampele nur knapp am ausbruch vorbei.
Rasch geht’s dann die paar km runter in den ort Cres. Ein auffallend gepflegtes hafenstädtchen mit einem zentralen platz am hafen und einer schön angelegten hafenpromenade mit bunten häusern, vielen cafe-terrassen und läden. Aber voller touristen. Ich radele langsam durch das zentrum zum campingplatz am meer.
Campingplatz ist wirklich unpassend für diese zelt- und wohnwagenstadt. Solch eine unüberschaubares labyrinth von dicht aufeinander gehäuften stellplätzen mit campern, kindern, autos, booten, trailern, fahrrädern, spielgeräten, usw. hätte ich mir vorher nicht ausmalen können.
Hier kann ich nicht bleiben, denke ich. Aber wo soll ich heut abend noch hin? Ich finde weit ab vom meer in dem höher gelegenen teil des camps einen ruhigen zeltplatz neben zwei jungen pärchen aus Holland bzw. Italien. Wir lassen uns gegenseitig in ruhe. Das brauche ich jetzt.
Die technischen bedingungen auf diesem riesenplatz stimmen: privatstrand, top gepflegte sanitär-einrichtungen, waschmaschinen, schleudern, gut sortierter teurer supermarkt, restaurant, cafes und pinten am strand, junge-leute-club, internet-cafe und zwei hotspots – an der rezeption bzw. im restaurant.
Also bin ich jetzt erst mal ein paar stunden beschäftigt: waschen, trocknen, einkaufen, kochen, essen, spülen, schreiben. Doch ich bin viel zu müde. Nachdem ich meine restnudeln gekocht, mit einer soße aus kroatischem käse gegessen und zwei bier dazu getrunken habe, ist es schon dunkel. Ich falle tot müde auf meine matraze. Nicht mal die schulter spüre ich. Wäsche und internet ist morgen.