Rad-Hauptstadt

Praesto, 27. 08. 2014

Kopenhagen hat viele bekannte Sehenswürdigkeiten,

Image

prächtige Bauwerke neue wie alte,

Image

Image

interessante Museen – eine Austellung über die Entwicklung des dänischen Designs bei Möbeln und Alltagsgeräten ist wirklich gut und viele hübsche Ecken.

Image

Image

Aber wenn ich irgendetwas in Kopenhagen einmalig finde, dann die Radfahrer. Unglaublich viele Menschen fahren mit dem Rad. Im Berufsverkehr sind es Unmengen. Dichte Kolonnen fahren hintereinander. Man könnte glauben, Radfahrclubs seien unterwegs.

Image

Wenn der Radweg breit genug ist, fahren sie auch zu dritt nebeneinander. Nie fährt einer in der falschen Richtung auf dem Radweg, denn wenn’s an der Straße einen Radweg gibt, ist er beidseitig. Nur in den Fußgängerzonen, in der Altstadt ums Schloss herum und in Nyhaven habe ich Straßen ohne Radweg benutzt. Mein Campingplatz lag in einem älteren Wohngebiet etwas außerhalb. Dort waren die „letzten“ Zufahrtswege zu den Häusern auch ohne Radweg.

Die Radwege in der City liegen oft höher als die Autofahrbahn. Wenn sie auf gleicher Ebene liegen sind sie hellblau markiert. An Ampeln warten die Radfahrer artig hintereinander wenn’s eng ist. Da wo Platz ist im Pulk. Umständlich ist das Links-Abbiegen an Ampelkreuzungen. Wenn nur der Geradeaus-Verkehr grün hat, bleiben die Linksabbieger nach Überqueren der Straße an der anderen Straßenseite wieder vor der roten Ampel nach links stehen. Damit  stehen sie vor den anderen Wartenden, die auf der Querstraße an der roten Ampel stehen, stehen aber den hinter ihnen kommenden gerade aus Fahrenden im Weg, die dann oft um sie herum manövrieren. So kompliziert, wie es sich anhört, ist es auch. Dass da nicht öfter was passiert, wundert mich. Ich bin immer auf den Bürgersteig ausgewichen. In Kopenhagen eigentlich völlig unmöglich. Radfahrer fahren hier nie auf den Bürgersteig.

Image

Sehr viele Radler fahren schnell. Auch ohne Gepäck musste ich mich immer ranhalten, um im Pulk zu bleiben. Oft hörte ich die Klingel derer, die schneller vorbei wollten. Die überwiegende Mehrheit der Räder in Kopenhagen haben keine Gangschaltung. Nabenschaltungen mit 3 oder 7 Gängen sind  häufiger zu sehen. Kettenschaltungen nur bei Rennrädern. Die Räder sind in der Mehrzahl einfach und billig ausgestattet. Die Händler, mit denen ich sprach, beklagen das natürlich. Sie führen die Nachfrage nach Billigrädern auf die enorm hohe Zahl der Fahrraddiebstähle zurück. Ein anderer Trend macht schon jahrelang  in Kopenhagen die Räder bunt. Im Moment sind die Räder  poppig grün, orange, pink oder hellblau. Die Farbe scheint das Wichtigste am Rad zu sein. Farbige Felgen, farbige Reifen, bunte Körbe, gepunktete Sättel.

Image

Auch das einfache Rad ist ein Identifikationsmerkmal. Selbst bei manchen, die ein Schrott-Rad benutzen, es aber dann mit karierter Selbstklebefolie oder mit hunderten von Stickern wieder erkennbar machen. Besondere Räder sieht man auch, z.B. dieses Pedersen oder dieses Streifen-Cargo.

Image

Image

Im Stadteile Westerbro liegen in der Nähe der Bahngleise viele kleinere Radläden, die auch Räder verleihen und reparieren. Fast alle Beschäftigten dort sind asiatischer Herkunft, meist Inder oder Pakistani. Aus diesen Ländern kommen anscheinend auch die Waren, die sie verkaufen. Dabei standen traditionelle dänische Fahrradmarken – die bekannteste ist wohl Kildemoes –  lange Garant für gute Qualität.

Image

Dass es noch immer dänische Fahrradbauer gibt, die etwas ganz Besonderes in Handarbeit produzieren, habe ich in einem kleinen Souterrain-Laden in der Innenstadt gesehen. Der junge Mann heißt Mageren und seine Räder kann man im Internet unter www.cykelmageren.dk  bewundern. Sein in meinen Augen schönstes war ein „Racer“ mit integrierter Sattelstütze, integrierter LED-Beleuchtung deren Akkus unsichtbar im Sattelrohr stecken. Die Bremszügen dienen auch als Bremshebel. Aus dem Oberrohr hat er einen Wipp-Schalter „geschnitten“ mit dem die traditionelle mechanische 6-Gang-Schaltung durch leichtes Drücken geschaltet wird, deren Schaltwerk er selbst herstellt – genauso wie die etwas längeren Bremsen, die auch einem Schutzblech Platz böten. Mit dem Rad hat er in Amerika auf einer Messe für handgemachte Räder einen „Award“ in Gold erhalten. So viele Ideen und so raffiniert, elegant und handwerklich gekonnt umgesetzt an einem eher herkömmlichen Fahrrad – einmalig!

Image

Image

E-bike-Stationen sind eingerichtet, weden aber wenig frequentiert.

Image

Über die Radfahr-Typen könnte ich noch schreiben, müsste aber zu viele Mutmaßungen anstellen.Die vielen Cargo-Räder, in denen meistens Kinder transportiert werden, muss ich noch erwähnen.

Image

Aber auch die Kindersitze am Lenker. Kindersitze am Rennrad,

Image

Und als Krönung: Papa, der mit Kindersitz und Kindertrailer, seine Sprößlinge abholen fährt und auch die Helme der beiden schon dabei hat.

 

Radfahren ist in Kopenhagen nicht mehr ‚in‘ glaube ich. Es ist einfach das meist benutze Verkehrsmittel in der Stadt.