Seelen-Dorf

Palanga, 19. 07. 2014

Die großen und einfühlsamen dieser Welt kennen und besuchen die schönen Dinge und Orte unserer Erde viel früher als der Durchschnitts-Reisende. Der Vorsprung der Avantgarde. Thomas Mann ist der avantgardistischen Literatur sicherlich nicht zuzurechnen. Aber was seinen Sinn für schöne Orte angeht, war er schon ein Vorreiter. 1929 zum ersten Mal in Nidden/Nida in Sommerferien beschloss er gleich hier ein Haus bauen zu lassen. Sein Sommerhaus. Nur für wenige Jahre, weil  er 1933 schon vor den Nazis floh.

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Das Haus ist heute als Museum zu besichtigen. Und wer den Blick aus Manns Arbeitszimmer oder von der Terrasse aufs nahe Haff  genießt und wirken lässt, fühlt, wie dieser Ort durch seine ländlich-dörfliche Einfachheit, die Weite und Ruhe des Haffs, aber auch den erhabenen Blick durch dunkle Kiefern auf das in der Morgensonne silbrige, abends eher dunkel-blaugrüne Wasser in der Seele gut tut . Diese Stelle Niddas kommt einer mediteranen Szenerie sehr nahe.. Deshalb auch der bekannte Sitzplatz in unmittelbarer Nähe des Hauses mit dem Namen “Italienischer Blick“.  Auf den weißen Bänken hinunterblickend werden die Kurland-Kiefern tatsächlich zu südländischen Zypressen.  Mann sagte selbst – so höre ich in dem Film, der im Museum gezeigt wird –  man müsse diesen Ort gesehen haben, wie man Italien oder Spanien gesehen haben müsse, „wenn einem nicht ein Bild in der Seele fehlen soll“.

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Aber nicht nur Manns  Haus ist sehenswert in Nida. Da gibt es so viele reedgedeckte farbig gestrichene Fischerhäuser unter Kiefern oder Kastanien, in Gärten voller Blumen und blühenden Stauden, im satten Grün der gepflegten Wiesen. Nida ist  kitschig schön, Nostalgie pur.

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Aber hier stehen neben originalen auch schon nachgebaute Fischer-Ferienhäuschen in rot und blau. Hier gibt’s die Schiffer am Hafen, die die Abendrundfahrt auf dem Haff im alten stillen Kurenkahn oder auch mit Live-Musik und  Lagerfeuer anbieten. Neben dem  Fremdenverkehrsbüro reihen sich die Kitsch- und Ramsch-Verkaufsstände  mit Schmuck aus gepresstem Bernstein. Nicht mehr im kleinen Dorfladen, sondern im Maxima-Supermarkt wird eingekauft . Tiefgefrorenen Fisch, den Manns Hausmädchen fangfrisch morgens am Hafen vom Fischer kaufte. Nida hat sich verändert seit Manns Besuchen. Auch wegen Mann kommen viele.  Aber Nida  bleibt ein ganz besonderes Dorf auf der Nehrung .  Und wird es hoffentlich auch bleiben.

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